Jonglage

Eigentlich, ja eigentlich. Eigentlich hatte ich mir für unsere Blog-Challenge vorgenommen, mich etwas ausführlicher mit sogenannten Lernhacks zu befassen. Lernhacks sind Kniffe, die das Lernen erleichtern und zugleich erfolgreicher machen sollen. Ich hatte mir also tatsächlich vorgestellt, quasi linear, Tag für Tag, bestimmte Lernhacks, zu finden in einem eben herausgekommenen Buch, kurz vorzustellen und Essentielles in Bezug zu meinen eigenen Lern- und Lernbegleiterfahrungen zu erörtern. 

Doch schon gestern reizte es mich plötzlich mehr, die Interview-Parabel aufzunehmen. Ein zufälliges Stöbern in meinem Jahresnotizbuch hatte gereicht, mich von meinem Plan abzubringen. Stimmt, Pläne sind dazu da, um geändert zu werden. Ich werde auf die Lernhacks eingehen. Später. Heute noch nicht. Denn: In meinem morgendlichen Tun ist mir mein Lebensmotto wieder mal so richtig bewusst geworden. Und das ging so:

Es ist eine Weile her, dass ich mir vorgenommen habe, das Jonglieren wieder aufzunehmen. Ich war nie ein Crack, doch konnte ich die drei Bälle für eine kleine Weile in der Luft halten. Die drei Bälle, ja, sie lagen noch da. Immer einsatzbereit. Doch hoppla! Auch sie verlieren Spannung und werden spröde, wenn sie nicht bewegt werden. Ohne Jongliergerät geht jedoch nichts. Also: Klebeband auf die undichten Stellen. Los geht’s! Logisch: Die Bälle lagen vor allem auf dem Boden. Und platzten auf. Gries überall. So geht das nicht. Neue Bälle müssen her. Gesagt getan. Neuer Versuch. Die Bälle sind nun schön dicht und halten ihre Form, doch in der Luft bleiben sie deswegen nicht länger. Erkenntnis: Ich kann’s nicht mehr! Mist! So lange habe ich geübt, damals, vor Jahren, und jetzt? Alles weg! Ernüchterung.

Da ich mich länger mit Lernprozessen beschäftigt habe - nicht nur mit den eigenen - ist mir klar, dass da trotzdem noch etwas sein muss. Zwar hat ein Verlernen stattgefunden, doch beim Ausprobieren erinnere ich mich schon wieder besser an den Bewegungsablauf, an die Haltung. Was machen meine Augen? Wie atme ich? Einerseits ist Vergessen oder Verlernen ein Segen für das Gehirn. Entlastung, Priorisierung. “Use it or lose it” ist ein bekannter Spruch, der für unser Gehirn und sein Gedächtnis überlebenswichtig ist. Was ich nicht brauche, muss mir auch nicht dauernd bewusst sein. Andererseits. Lernen hinterlässt Spuren, nachhaltig Gelerntes umso mehr. Gerade Bewegungsabläufe können sich stark in Hirnstrukturen einprägen. Das Neulernen oder Auffrischen von einmal Gelerntem wird dadurch erleichtert. Nicht von ungefähr kommt die Aussage, der Körper habe ein Gedächtnis. Die heisse Herdplatte berührt man in der Regel nur einmal. Velofahren und Schwimmen kann ich auch nach zig Jahren der Abstinenz. Doch auch Wiedererlernen, und in meinem Fall ganz besonders, bedeutet üben, üben, üben. Es geht um eine Automatisierung. Ich trainiere in der Anwendung. Das ist motivierend, weil ich das Resultat sofort sehe. Und was sehe ich? Die Bälle liegen noch viel zu oft auf dem Boden. Die Krux ist eben die, dass ich die Bälle nicht langsamer fliegen lassen kann, um mehr Zeit zu haben. 

Was tun? Ein Kniff, ein Lernhack kommt mir in den Sinn. Haben wir nicht auch mit Tüchern geübt? Das könnte helfen, denn Tücher segeln ja etwas langsamer zu Boden als Bälle. 

Heute stehe ich also da, mit den Tüchern - und sie fliegen! Und segeln mehr oder weniger gemächlich nach unten, so dass ich sie gleich wieder erwische und hochwerfen kann. Es funktioniert. Gutes Gefühl! 

Und da kommt mir in den Sinn, welches Motto mich seit Jahren durchs Leben begleitet. Und ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert, Zufriedenheit verbreitet, sobald ich es ausspreche. 

Mit dem Unbekannten jonglieren und mit dem Nichtwissen tanzen!

Genau darum geht es. Jeden Tag. Das Erreichen einer Lebensbalance ist die tägliche Jonglage. Ob mit Bällen oder mit Tüchern. Oder sonst wie. Und lass uns immer wieder verlernen und dazulernen. Das ist der Kreislauf der Ermöglichung, der Ermutigung und der Freude am Leben. Vom Jonglieren habe ich jetzt geschrieben. Zum Tanzen habe ich auch noch die eine oder andere Geschichte. Später.