Learnings by doing

Lernunternehmen Pilzfarm im Effinger
Lernunternehmen Pilzfarm im Effinger

Die Zeit für das nächste Treffen ist gekommen. Es ist erst wenige Wochen her, dass wir uns auf den Weg gemacht haben: Colearning Bern wird zum Lernunternehmen und baut eine Pilzfarm auf. Einfach so? Nicht ganz. Unsere Vision und unser Bestreben ist es, die Lern- und die Arbeitswelt näher zusammen zu bringen, zu verbinden, zu verweben. Am besten mit einem eigenen Projekt. 

Leben ist Lernen - Lernen ist Leben

Agiles Arbeiten bedingt Agiles Lernen und kann unseres Erachtens ohne Einbettung in die VUCA-Welt nicht in befriedigender Art gelernt und geübt werden. VUCA ist ein Akronym, entstand bereits in den 1990er Jahren und verbindet die Begriffe Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigfkeit). Diese stehen für Entwicklungen auf unserer Welt, die nicht mehr so einfach überblickbar, fassbar und zu handeln sind und darum mit agileren Methoden angegangen werden müssen.

Es ist ein zunehmend anerkannter Fakt, dass Lernen in enger Verbindung mit der Anwendung, mit der Handlung geschehen muss. Auch Schule erkennt diese Dringlichkeit. Kompetenzorientierter Unterricht ist die Folge. In der Vorstellung. Leider fehlt der Schule in ihrer Isolation oft die entsprechende Wirklichkeit, um aufgebautes Wissen auch in realen und lebendigen Situationen in die Anwendung bringen zu können. 

Coworking & Colearning Space Effinger

Unser Colearning ist darum im Coworking Space Effinger angesiedelt. Wir verstehen uns als Lernort, wo Lernende sich treffen und mitten in der Arbeitswelt selbstständig und selbstverantwortlich ihren Projekten nachgehen. Verschiedene unterschiedlich intensive Kontakte haben im Verlauf des letzten Jahres unter im Erwerbsleben tätigen Coworkern und vor allem mit Lernen beschäftigten Colearner:innen stattgefunden. Eine Kultur des gegenseitigen Interessens wächst heran, Coworker:innen erkundigen sich nach Lernvorhaben der Colearnenden, Colearner:innen sehen in Arbeitsabläufe hinein und bekommen Gelegenheit, mitzugehen oder gar mitzutun. 

Ein Lernunternehmen verbindet das Lernen mit dem unternehmerischen Handeln

Spannende Arbeitsprozesse entwickeln sich, mehr oder weniger bewusst, Hand in Hand mit inspirierenden Lernprozessen. Um dieser Lernkultur, beschrieben in Publikationen wie Agiles Lernen, neue Rollen, Kompetenzen und Methoden im Unternehmenskontext im Colearning noch etwas intensiver auf die Spur zu kommen, haben wir uns entschieden, in exemplarischer Weise mit interessierten Colearner:innen ein Lernunternehmen zu gründen. Es geht darum, gemeinsam und in soziokratischer Manier, ein kleines funktionierendes Unternehmen aufzuziehen und sich dabei Learnings bewusst zu machen und diese zu dokumentieren. Wir folgen damit den Vorstellungen von informellem Lernen, das sich nicht nach institutionell vorgeschriebenen Programmen (oder Lehrplänen) richtet, sondern aufnimmt und vertieft, was Lernsache und aktuelle Herausforderung ist. Auch wenn das Handeln in diesem Lernprozess auf das gemeinsame Ziel hin ausgerichtet ist, sind Lerneffekte persönliche Erkenntnisse und sollen auch individuell dokumentiert werden.

Selbstorganisation und Kollaboration

Wir wollen versuchen, nach agilen Grundsätzen zu arbeiten und zu lernen. in gemeinschaftlichen Meetings werden grundsätzliche Fragen geklärt und der grosse Rahmen gesteckt (Framing). Selbstorganisierte Teams entwickeln in kurz getakteten Zyklen Ergebnisse und Erkenntnisse, die im Verbund mit den anderen Beteiligten laufend verglichen und abgeglichen werden. Dazu nutzen wir auch digitale Tools. Alle sind ermuntert zu experimentieren, um miteinander die passenden Lösungen für die formulierte Herausforderung zu finden. Dabei ist der Blick auf den Kundennutzen und das angestrebte Produkt zentral. Anpassungs- und Innovationsfähigkeit ist genauso wichtig wie Zielorientierung, Kollaboration und Selbststeuerung. Eine dazu passende Fehler- und Lernkultur des Zutrauens und Vertrauens ist selbstverständlich. 

“Agilität soll helfen, crossfunktional besser zusammenzuarbeiten, mehr Transparenz und Kommunikation zu schaffen und sowohl die Produktivität als auch die Motivation der Mitarbeiter:innen durch mehr Verantwortung zu erhöhen.”(aus “Agiles Lernen”) 

Crossfunktional meint, dass die Mitwirkenden ihre unterschiedlichen Fähigkeiten Schritt für Schritt einbringen und im anlaufenden Prozess ihre Rolle und ihre Aufgaben finden. Kommunikations- und Entwicklungswege ergeben sich laufend und werden zur Herausforderung passend definiert. Rollen und Aufgaben werden sinnvoll verbunden und unterstützen einander.

Wir beginnen mit unserem Lernunternehmen nicht auf der grünen Wiese. Im Rahmen eines Schatzhebungstreffens haben die Initianten bereits über die Idee informiert. Die Schatzhebung findet alle paar Wochen statt. Eingeladen sind Colearner:innen, Eltern und andere Interessierte. Alle haben die Möglichkeit, mit einer kurzen Präsentation ihr Lernen der letzten Wochen sichtbar zu machen oder neue Projekte vorzustellen.

Eine Pilzfarm im Keller des Effingers soll es also werden. Ein Unternehmen, ein Business, das nicht nur eine Gewinnmarge anstrebt, sondern - genau so bedeutend - eine Lernmarge sichtbar und bewusst machen will. Dieses Projekt kann jedoch nur starten, wenn sich genügend Mitwirkende finden, sich der Keller als Produktionsort eignet, die Effinger-Community dem Vorhaben zustimmt und sich die vorgesehene Produktionsweise als realistisch erweist. All diese und viele weitere Abklärungen müssen nun erfolgen, wenn dem Unternehmen Erfolg beschieden sein soll. 

Kickoff und Phase Null

Die Kickoff-Veranstaltung hat im Oktober stattgefunden. Gestartet sind wir mit einer Phase Null, die es allen Interessierten möglich macht, am Anfang des Prozesses ihre Ideen und Überlegungen einzugeben und damit unverzüglich zu Mitgestalter:innen und Mitwirker:innen zu werden. Im Laufe eines sehr lebendigen Morgens haben wir einen Strauss von Visionen zusammen getragen, in einem Brainwriting Ideen gesammelt und diese gleich in einem Business Model Canvas einsortiert. By doing lernten die Mitwirkenden an diesem Morgen somit eine Kreativitätstechnik kennen, bekamen handelnd eine Idee von einem visualisierten Businessmodell und erlebten, wie aus einem Feld von Gedanken und Anmerkungen eine erste Umsetzung mit Rollen und Aufgaben entstehen kann. Zudem ist es wichtig zu lernen, präsent zu sein, Fragen zu stellen, Bedürfnisse anzumelden, Meinungen auszutauschen. Wir sind eine lernende Organisation und betreiben eine rollende Planung. Es gilt darum von Beginn weg auszuhalten, dass Erkenntnisse müssen wachsen dürfen und sich mögliche Wege erst dank Erkundung und der intensiven Auseinandersetzung mit Sachfragen zeigen.

Fortsetzung folgt

Ein Monat ist vergangen seit dem letzten Traffen. Verschiedenste Abklärungen sind erfolgt, Experimente wurden durchgeführt und Lernerfahrungen wurden gemacht. Ein Junior und ein Senior Colearner haben nun das neue Treffen gemeinsam vorbereitet und werden es auch im Team moderieren. Tutorensystem auch in der Moderation vom Planungsprozess.

Ich bin gespannt, was in der ersten Erkundungs- Experimentier- und Recherchierphase alles herausgekommen ist und nun den Weg ins Pilzfarm-Team finden wird.