Der Effinger ist ein offener Lernort

Dass wir mit unserem Colearning-Projekt medial erwähnt werden und uns sogar in Interviews selber darstellen können, ist eine tolle Sache. Es ist eine gute Lerngelegenheit, um selber noch besser zu verstehen, was man da eigentlich tut, wenn die Möglichkeit geboten wird, anderen davon zu erzählen. Übrigens eine der nachhaltigsten und zugleich natürlichsten Lernmethoden: Durch das Formulieren von Inhalten in eigenen Worten und das Adressieren an einen aktiven Zuhörer, übertragen wir im Kurzzeitgedächtnis gespeicherte Informationen ins Langzeitgedächtnis. Die Chance des noch besser Verstehens und Erinnerns steigt. 

Wer den Beitrag gerne nachhören möchte oder den Online-Artikel lesen möchte, kann das über folgenden Link tun:

https://www.srf.ch/news/schweiz/co-working-space-fuer-kinder-wo-jugendliche-in-einem-buero-zur-schule-gehen?wt_mc_o=srf.share.app.srf-app.unknown

By the way

Ich habe mich in meiner Tätigkeit als Lernbegleiter bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen intensiv mit Lernverhalten und Lerntechniken befasst. Jetzt wollte ich wissen: Was gilt noch, was ist neu zu beachten, vor allem auch aufgrund von Forschungen der Neurobiologie. Ich denke, mit nächsten Blogs werde ich ein paar interessante Erkenntnisse mit euch teilen können. 

Menschen jeden Alters lernen auf Augenhöhe

Zurück zur kürzlichen Gegenwart. Wir hatten einige positive Reaktionen auf den Beitrag und es sind Kontakte mit Menschen im Entstehen, die in Sachen Lernen (oder Bil­dung) ähnliche Ziele verfolgen. Noch be­zeichnend, dass aus der schulischen Welt, mindestens bei mir, praktisch keine Reaktion kam, obschon ich den Beitrag einigen mir bekannten Akteuren weitergeleitet habe. Ja nu. 

Etwas schade finde ich, ist die Perspek­tive nicht deutlicher erfasst worden, dass im Colearning Menschen jeden Alters auf Augenhöhe miteinander lernen. Es passt halt einfach noch nicht so ins Bild (von Erwachsenen), dass Erwachsene nicht nur Jugendliche beim Lernen unterstützen (oder gar belehren), sondern selber auch Lernende sind.

Daran können wir arbeiten - und daraus können wir lernen. Vielleicht ge­lingt es uns bald, weitere erwachsene LernerInnen für das freie Lernen an und für sich und für das Mittun in unserer Community zu begeistern.

Was für ein Missverständnis

So weit, so gut. Etwas Mühe habe ich mit der Titelsetzung für den Online-Artikel zum Audiobeitrag. Mit der Ansage „Wo Jugendliche im Büro zur Schule gehen,“wird für mich ein Bild aufgemacht, das in der Öffentlichkeit leider immer noch Gang und gäbe ist. Wenn Kinder oder Jugendliche „lernen“, dann muss das in der Schule sein oder mit Schule zu tun haben. Was für ein Missverständnis kann ich da nur sagen. Eigene Schulerfahrungen prägen leider das Bild von Schule, das Erwachsene haben, immer noch stark. Bis heute. Da ist also ein Klassenzimmer, aufgereihte Pulte, dahinter dicht gedrängt 20 oder mehr Kinder. Vorne eine Wandtafel, vielleicht ein Smart Board, davor die Lehrerin oder der Lehrer. Fächer nach Lehrplan, Unterricht streng nach Stundenplan, frontal. Alle machen das Gleiche zur gleichen Zeit. Mit Lernen ist gemeint: SchülerInnen bekommen Inhalte vermittelt, sie werden beschult, Lehrpersonen versuchen ihnen etwas beizubringen. Im Fokus stehen der Stoff und die Aktivität der Lehrperson. Die Kinder sind da als Empfänger - weil sie müssen, weil sie gut gehütet sind und ihre Gspänli treffen können. Lernen? Nach Programm, auf Druck, gegen Noten.

Auch wenn Leute sagen, ob zu Recht lassen wir jetzt mal offen, dieses Bild sei überholt, steckt es doch tief in den Köpfen. Und das Verrückte ist: Dieses Bild von Schule prägt dann auch die Vorstellung von Lernen.

Unser Lernen im Colearing ist und bleibt ein anderes. Es ist ein grosser Unterschied, ob SchülerInnen von Lehrpersonen belehrt und unterrichtet werden oder Jugendliche einen Lernort nutzen, um selbstbestimmt an eigenen Themen und Projekten zu arbeiten und eben - zu lernen. 

Wir schaffen einen Lernort, wo das Lernen dem Menschen dient

Es bleibt die Hoffnung: Würde sich eine solche Einrichtung wie die Schule auf den Aufbau von basalen Kulturtechniken und die Entwicklung von Lernkompetenzen konzentrieren, und nicht gar noch abdriften in Fächer wie „Glück“ oder „Leben“, es würde viel Raum entstehen, autonomeres, interessenorientierteres Lernen in alternativen Umgebungen zu ermöglichen. Das Glück und das Leben kämen dann von alleine. 

Vor kurzem bin ich aufmerksam geworden auf die Initiative von Educreators Foundation. Sie dokumentiert mit kurzen Videos, wie innovative Schulen die digitale Transformation nutzen, um Lernsettings und Lernumgebungen umzugestalten. SchülerInnen lernen forschend, entdeckend und selbstständig. Sie lösen in kreativer Weise Aufgaben, die über das “Richtig oder Falsch-Schema” hinausgehen.

https://www.youtube.com/playlist?list=PL8fzaLL1NrI40TDZB8TH6LBs_Acntwozd

Eines ist sicher. Wir sind ganz be­wusst keine Schule. Wollen wir nicht sein, können wir nicht sein. Schulen sind staatliche und private Einrichtungen, die einen Lehrplan umzusetzen haben.

Wir sind ein Lernort, wo Jugendliche und Erwachsene selbstbe­stimmt und gemäss ihren Interessen lernen. Die Colearner kommen freiwillig, lernen nach eigenem Plan. Begleitet und bei Bedarf unterstützt werden die Jugendlichen von erfahrenen LernerInnen. Wir sind alle Colearner. LehrerInnen, Belehrung, Lektionen im 45-Minuten-Takt, Lehrmittel, Schüler, Schülerinnen: Fehlanzeige!

Uns unterscheidet die Blickrichtung. Es gibt keine von der Lehrperson her gedachte und arrangierte Didaktik. Wir lernen selber, intrinsisch motiviert. Uns begleitet das Lernen im Leben. Wir sehen und fühlen alle als Lernende. Und wir lernen miteinander, nicht gegeneinander. Wie hat Patrick Müller, der diese Woche im Colearning zu Besuch war, so schön gesagt: „Wir schaffen einen Lernort, wo das Lernen dem Menschen dient und nicht umgekehrt.“ Er baut in Emmenbrücke ein ähnliches Projekt auf.