Colearning ist kontinuierliches Lernen

Im März des letzten Jahres präsentierten wir zum ersten Mal unser Gerüst zum Colearning Bern. Es war eine vage Vorstellung von dem, was wir da auf die Beine stellen wollten. Die Situation von Jonathan, der Sohn eines Effianers, hatte uns auf die Idee gebracht, aus Coworking versuchsweise auch Colearning zu machen und im Coworking Space Effinger einen Lernort entstehen zu lassen. Ein erstes Konzept dient uns als Leitlinie und Orientierung.

“Leben ist das, was passiert, wenn du fleissig daran bist, andere Pläne zu schmieden.”

John Lennon

Im Sommer starten wir. Ein Lernprojekt, welches Lernen ermöglichen und fördern will, beginnt. Lebensbegleitendes Lernen ist fortan keine Worthülse mehr. Wir sind gefordert. Das Lernen der Colearnerinnen zeigt sich vorerst anders als erwartet. Wenig selbstgesteuert und selbstverantwortet. Die Moderation der Erwachsenen bezieht sich stark auf das Leiten der aus Jugendlichen bestehenden Lerngruppe. Zu stark. Es fehlt zuweilen spürbar an der intrinsischen Lernmotivation. Es genügt, sich in der Gruppe und im Effinger wohl zu fühlen und Angebote und Unterstützung zu konsumieren. Nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Trotzdem: Erste Strukturen und Abläufe etablieren sich, Erwartungen werden revidiert, Schritte hin zum eigenständigen Bearbeiten von Projekten werden sichtbar.Dann kommt Corona. Wir pausieren und nutzen die Zeit, aus gemachten Erfahrungen zu lernen und Erkenntnisse für eine baldige Fortsetzung nutzbar zu machen. Wir steigen wieder ein. Anders. Individualisierter. Die Platzzahl ist beschränkt und die Lerngruppe ist aufgehoben. Es entwickelt sich ein Lernverständnis, das sich komplett von schulischem Unterrichten befreit und sich noch stringenter autonomem und informellem Lernen öffnet. Sowohl Colearnerinnen wie auch Erwachsene bekommen langsam ein Gespür dafür, was selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen sein könnte.

“Probleme sind verkleidete Möglichkeiten.”

Henry Ford

Wir haben eine neue Basis gelegt. Und wir spüren: Das entspricht viel eher dem, was wir uns unter Colearning vorgestellt haben. Die Sommerpause gibt uns die Zeit, unser Konzept gleich noch einmal kritisch zu beleuchten und zu justieren.

Wir wollen nicht nur agiles Lernen unterstützen, nein, wir wollen auch eine agil agierende und lernende Organisation sein! Wir wollen Räume öffnen, damit Arbeiten und Lernen verschmelzen. Es soll nicht mehr darum gehen, die Arbeitswelt der Erwachsenen mit der Lernwelt der Jugendlichen zu verbinden. Es soll generell darum gehen, Arbeitswelt und Lernwelt zu vereinen - und darum auch Erwachsene und Jugendliche in ihrem Arbeiten und Lernen.

Und: Hinter jeder Ecke warten ein ein paar neue Möglichkeiten.

Unser Restart ist ambitiös. Wir verstehen uns alle als Colearner, als Lernende, die mit Themen und Fragen unterwegs sind, die Antworten, Lösungen, Erkenntnisse finden wollen. Selbststeuerung und Selbstverantwortung werden noch wichtiger. Wer Unterstützung empfangen will, soll auch seinen Möglichkeiten entsprechend Begleitung geben. Lernerfahrungen werden dokumentiert und geteilt. Das Lernen wird sichtbarer. Bei allen. Transparente Lernschritte animieren andere, selber aktiv und sichtbar zu werden.

Das Colearning öffnet sich für Menschen jeden Alters. Das ist unsere Vision. Regelmässig stattfindende Mentorings schaffen eine vertrauensvolle Beziehung und ermöglichen Reflexion im Gespräch, Lernblogs geben Ausdruck und ermöglichen Einblick in Lernvorgänge. Visionäres wird realer. Regelmässige Treffen sind der Moment für den Austausch auf Augenhöhe, ermöglichen das Teilen der Lernerfahrungen und sind Animation und Motivation für persönliche Lernschritte. Die Vernetzung von Lernwelt und Arbeitswelt schafft Gelegenheit, mit Berufsleuten und ihrem Handeln direkt in Kontakt zu kommen, Arbeitsgänge zu begleiten und Lernerfahrungen zu machen. Vieles zeigt sich noch als zartes Pflänzchen. Auf einem schrittweise entstehenden Lernmarkt werden zusätzliche Angebote präsentiert, die von Colearner*innen gemäss persönlichen Bedürfnissen genutzt werden können.

“Mit dem Unbekannten jonglieren und mit dem Nichtwissen tanzen.”

Aus Indien

Wir surfen zwischen Ermöglichung, Entwicklung und Konkretisierung. Wir vertrauen in die Idee und in uns. Dinge ergeben sich, Abläufe entstehen, weil sie dienlich sind. Unklares gehört zum Alltag, ist Lernchance, lässt das Wachsen von Lösungen zu, muss ausgehalten werden. Wir sind eine lernende Gruppe von Menschen die am Lernen interessiert sind. Wir sind Produzierende und Konsumierende, erbringen zusammen ein Grundangebot, das wiederum uns zugute kommt. Prosume nennt man das, im Gegensatz zum reinen Konsumieren. Wer sein Lernen weder reflektieren noch teilen will, verliert die Unterstützung der Colearning-Community.

Colearner*innen nutzen den Effinger wie Coworker*innen. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Wir organisieren und koordinieren schlank. Ein Colearning-Host ist da zur Begrüssung, für Fragen, als Bindeglied zur Effinger-Community. Das Grundangebot beinhaltet einen Coworking- oder Colearningpass und eine Mitgliedschaft in der Community.

“Versuchen? Es gibt nur Tun oder Nichttun.”

Meister Yoda aus Star Wars

Fehler sind Helfer in einem schöpferischen Prozess. Fehleinschätzungen zeigen, dass wir noch genauer hinschauen sollen. Falsche Erwartungen sind Erwartungen, die sich nicht erfüllen, weil es Gründe für andere Entwicklungen gibt. Situationen ergeben sich im Hier und Jetzt - und werden zu realen Lernsituationen. Nur so kann es gehen! Leben und Lernen heisst Momente gestalten. Kontinuierlich!

“Wenn man genau weiss, was man machen wird, wozu soll man es dann machen?”

Pablo Picasso

Wir sind unterwegs. Was gestern noch Vision war ist heute erfinderisch gelebter Alltag. Unspektakulär. Lernen ist geistige Arbeit. Ohne Druck, Zwang, Manipulation, Konditionierung und ständige Bewertung und Beurteilung. Es ist das, was es ist: Einer Spur folgen, eine Entdeckung machen, etwas vollbringen.

Weitere Colearner*innen sind herzlich willkommen. Worauf es ankommt? Du hast es gerade erfahren und - ohne Zweifel - gelernt.

“Am Ende bin ich selten da, wo ich hin wollte, aber ich ende letztlich immer da, wo ich sein muss.”

Douglas Adams