Weitsicht

Gestern habe ich mir in humoristischer Art und Weise ein paar Gedanken zu einem fiktiven Zwecklos gemacht. Jetzt habe ich ein reales geöffnet. Ein kleines Los, das einen Spruch oder ein Zitat verbirgt. Ich besitze ein Säcklein voll davon und einige dienten mir bei der Herstellung des Symbolbilds zum Blog gestern. Eines lag vorhin noch auf dem Tisch. Wie ich es ab und zu als Einstieg in den Tag tue, habe ich die kleine orange Rolle geöffnet. 

Ein japanisches Sprichwort. Ein Spruch für Motivation und Erfolg. Diese Zuschreibung finde ich im Internet. Was macht der Spruch mit dir? Was macht er mit mir? Als jemand, der die Weite liebt und Berge nicht unbedingt braucht, eröffnen sich mir Denk- und Gestaltungsräume. Räume, die nicht in erster Linie durch gezogene Grenzen definiert sind. Weitsicht. Weitsichtiges Denken und Handeln. Das motiviert mich persönlich sehr. Wer den Blick hebt, ist nicht fixiert auf das Naheliegende. Wer den Blick hebt, orientiert sich an dem, was kommt, an dem, was mir entgegenkommt. Mit erhobenem Blick gehe ich auf andere Menschen zu. Vielleicht könnte man diese Art des Wahrnehmens und Gestaltens auch als offen und zukunftsorientiert beschreiben. Entscheidend und wesentlich ist das grosse Ganze, weniger die möglicherweise hinderlichen Details. Wenn ich mich zu sehr in den Details verliere, gerät mir das grosse, zusammenhängende Bild aus dem Blick. 

Nicht von ungefähr konzentriert man sich in kreativen Prozessen in erster Linie auf das Mögliche, auf das Sammeln von Ideen. Es macht Sinn, die Zensur im Kopf, das Aufzählen von Gründen, die das Nichtfunktionieren belegen sollen, möglichst lange hinauszuschieben. Nur so finden auch Meinungen und leisere Gedanken in den Prozess, die sonst oft mit Aussagen und Killern wie “haben wir schon versucht”, “zu teuer”, “zu aufwändig” in einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses abgewürgt werden. 

Welche Grenzen wären wohl weniger im Blickfeld, wenn man den Blick etwas heben würde? Landesgrenzen vielleicht? Sprachgrenzen? Das eigene Gärtlidenken? Fächergrenzen in der Schule? Kulturen? Religionen? Die Grenzen, die man sich (unnötigerweise) selbst setzt? 

Ich liebe es, auf das offene Meer zu schauen. Einfach so. Der Blick verliert sich in der Weite. Eine Grenze zwischen Wasser und Meer ist nicht zu erkennen. Freiheit. Der offene Blick öffnet auch Herz und Seele. Und lässt mich tief ein- und ausatmen. Da sein. Dort sein. Das Denken grenzenlos. Die Gedanken im Fluss. Ich liebe diese Momente. Unbegrenzte Möglichkeiten. Gedankenwelt. Was für ein Reichtum. Was für ein Glück.