Aus dem Tritt und Comenius auf der Spur

Ich bin etwas aus dem Tritt geraten. Eigentlich wollte ich ein paar geistreiche Zeilen schreiben: zu Agilität, zu agilem Denken und Handeln. Und Vergleiche anstellen mit unserem Wirken im Coworking Space Effinger und im Colearning. Doch mein Kopf zeigt sich gerade wenig agil. Multitasking ist nicht meine Stärke. Synergien nutzen schon. Doch wenn zu vieles miteinander kommt, habe ich schon mal Mühe, kühlen Kopf zu bewahren. Und ich merke: Was da in Zeilen steht, will mich nicht so recht überzeugen. 

Ich fange an, ein bisschen rum zu suchen. In meinen Notizen, in meiner Fundgrube.  

Mir begegnen nie veröffentlichte Texte und Gedankenspiele, vor allem auch aus der Zeit der Pandemie. Irgendwie fremd. So nicht mehr zu gebrauchen. Umbauen? Keine Lust. 

Scrollen, lesen, scrollen, lesen, nichts. Nichts spricht mich an. Doch halt! Das könnte etwas sein. Ich beginne aufmerksamer zu lesen.

“Wesentlichstes Merkmal des Lernens ist Sinn. „Was keinen Sinn hat, kann weder verstanden, beurteilt noch dem Gedächtnis übergeben werden!“, so Comenius.”

Wem sagt der gute Comenius das. So ist es und so erfahre ich es. Hier und jetzt. Es fehlt mir die Spur, der ich folgen könnte. Es fehlt der Sinn, das Motiv, das Bedürfnis. Da ist nur ein Bedarf: der Blog von heute.

“Nach konstruktivistischen Annahmen ist Bildung nicht per Instruktion herstellbar. Bildungsanstalten wie die Schule können das Lehren von Inhalten zwar didaktisch aufbereiten, aber weder eine gebildete Einstellung noch eine Urteilsbildung herstellen. Man kann nicht „gelernt werden“, sondern nur selbst lernen. Selbst wenn ich zum Lernen gezwungen werde. Bildung ist als subjektiver Vorgang vor allem ein selbstherstellender Prozess, bei dem jüngere und ältere Menschen Konstrukteure ihrer Bildung und damit Selbst-Hersteller ihrer Identität sind.”

Wow! Bingo! Wunderschön formuliert, was wir auch mit Colearning meinen. Befreites, renaturiertes Lernen, selbstlernen, autarkes Lernen. Und ich merke: Mit der Selbst-Herstellung hapert es hier und jetzt gerade gewaltig. Würde eventuell etwas Fremdsteuerung helfen? Druck? Noch mehr Druck?

“Gleichwohl bleibt Schule leider - mit wenigen Ausnahmen - auch heute noch ein Ort des Unterrichtens und Belehrens. Erwachsene Berufsleute, Pädagog:innen, versuchen jungen Leuten beizubringen, was in der herrschenden Gesellschaft Sache ist.”

Tja. Da ist nichts beizufügen. Leider. Von einigen löblichen Ausnahmen abgesehen.  Und ich nähere mich meinem Blog. In spezieller Manier. Selbst gemacht. Kreativ. Man muss ja nicht immer alles selbst erfinden.

“Wer über Unterricht nachdenkt, mag es als eine Selbstverständlichkeit empfinden, dass man dabei nicht nur an das Lehren, sondern auch an das Lernen denkt. Wer lehrt, sollte sich vergewissern, mit welchen Lernvoraussetzungen die Schülerinnen und Schüler in den Unterricht kommen. Jegliches Nachdenken über Bedingungen und Erfolg des Lehrens wird klären müssen, ob die Schülerinnen und Schüler jene Voraussetzungen haben, die es ihnen erst möglich machen, auf die Lernanregungen der Lehrerinnen und Lehrer erfolgreich zu reagieren.”

Hier schweigt des ehemaligen Weiterbildners Höflichkeit. Und verweist einfach auf den nächsten Abschnitt.

“Es ist deshalb eigentlich verwunderlich, dass in der Tradition des pädagogischen Denkens über Schule und Unterricht ein Konzept wenig Resonanz gefunden hat, das bereits von Comenius (1592 bis 1670) entwickelt worden ist. Comenius gilt gemeinhin als Erfinder der Didaktik. Er ist bekannt geworden durch seine ,,Didactica magna". Aber darüber hinaus hat er den Begriff der „Mathetik“ entwickelt, der später unter dem Titel ,,Didaktische Ährenlese" publiziert worden ist. So wie mit Didaktik die Theorie des Lehrens gemeint ist, soll mit Mathetik die Theorie des Lernens gemeint sein. Comenius hatte es bereits als eine wesentliche Aufgabe des Unterrichts verstanden, dass die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, sich die Inhalte, die unter didaktischen Gesichtspunkten für wichtig erachtet wurden, intensiv und nachhaltig aneignen können. Es ist aber als eine eher fatale Entwicklung im pädagogischen Denken zu bewerten, dass dieser Aspekt von Schule und Unterricht in den Konzepten, die im Laufe der Jahrhunderte diskutiert und entwickelt worden sind, eine geringe Bedeutung gefunden hat.”

Und so endet dieser kleine Exkurs einmal mehr in der Ernüchterung. Frustration wäre ein zu grosses Wort. Aber vielleicht das passendere. 

Und in der Genugtuung, doch noch einen ansprechenden Blog gestaltet zu haben. Wenigstens.


Literatur: Schlömerkemper, Jörg: Mathetik - Lernen aus der Sicht der Lernenden